Mittwoch, 28. Mai 2014

Die verlorene Schönheit des Alleinseins



Nichts gibt meiner geschundenen Seele mehr Kraft als Ruhe. So gesehen ist eine leere Bahnhofshalle für mich ein Ort der Spiritualität, ein urbaner Tempel, eine misanthropische Utopie. Wenn das altgediente, rüstige Mühleberg also mal einen nuklearen Fallout verursachen sollte, so wäre ich einer der Wenigen, die dem Übel auch etwas Positives abgewinnen können. Meiner Meinung nach ist das grösste Problem unserer Zeit, dass es zu viele Menschen gibt. Diese Aussage alleine ist aber schon sehr bedenklich, denn wenn man diesen Zustand als Problem identifiziert, dann müsste man konsequenterweise auch über eine Lösung nachdenken. Die Lösung wäre, eine Welt zu schaffen, in der weniger Menschen existieren, also Genozid. An der Stelle wird das Thema eigentlich zu unbequem um fortzufahren. Überbevölkerung, Ressourcenknappheit und ausuferndes Bevölkerungswachstum sind globale Themen, die von Politikern, Professoren und Dokumentarfilmern / Möchtegernkomikern gerne aufgegriffen werden. Da ich aber kein Atlas bin, will ich diese Weltlast nicht schultern und konzentriere mich daher auf ganz konkrete Symptome, die mein eigenes Ich nachhaltig beeinflussen. Mich belasten die hektischen Bahnhofshallen dieser Welt, vollgestopft mit gehetzten Pendlern und neugierigen Touristen; die spanische Treppe in Rom, nonstop belegt von Menschenmassen, ihrer stillen Pracht beraubt; das Montmartre Quartier in Paris, dass den künstlerischen Hauch der zwanziger Jahren gegen touristisches Big Business getauscht hat; die idyllischen Orte in unseren Wäldern, Grillstellen, Picknickplätze und Badeplätze an Flussufern und Seen, überlaufen mit allerlei jungen und alten Menschen mit Hunden und Kindern; die grossen Errungenschaften und Ankerpunkte unserer Kultur - all die grossartigen Dinge, die man vor ein paar Jahrzehnten noch als individuelles Erlebnis geniessen konnte. Man spricht von Dichtestress, von einem Gefühl der Enge und Klaustrophobie. Worüber man nicht spricht, ist die verlorene Schönheit der Welt. Die einzigartigen Orte, die wir nur noch auf alten Fotographien in ihrer wahren, menschenlosen Erhabenheit bewundern können. Vielleicht meint man das, wenn man sagt, dass früher alles besser war.

1 Kommentar:

  1. Ich denke, du musst den Zugang zu deiner Ruhe radikal verändern. Bist du schon mal mit einem Kreuzfahrtschiff Antarktis gefahren? Ich war im vergangenen Frühjahr in Island. Für dich, als Reisende, empfehle ich, dort zu reisen. Landschaften sind bunt, Eisbären und Nordlichter, machen Sie Ihren Verstand verrückt. Hast du jemals diese Wunder der Welt an einem Ort gesehen, ha?

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