Draussen regnet es. Es ist Freitag. Die
Zeit schleicht so vor sich hin. Arbeit stapelt sich. Gedanken schweifen ab. Es
ist eine Kunst, mit seiner Energie zu haushalten. Wenn am Ende der Woche noch
etwas Saft im Tank ist, dann ist man glücklich. Sonst presst man nochmals alles
heraus, wie aus dem Fruchtfleisch einer Orange. Wenn man jung ist, dann ist
jeder neue Tag ein Versprechen. Es ist, als bekäme man jeden Tag ein
Lotterielos geschenkt, als würden die Chancen nie ausgehen. Wenn man dann älter
wird, fühlt es sich an als ob man zuerst ein hyperkompliziertes Kreuzworträtsel
lösen müsste, um überhaupt an der Verlosung teilnehmen zu können. Nun, Freitag
gibt einem das Gefühl, dass man das Lösungswort endlich herausgefunden hat. Man
weiss, dass man noch lange nichts gewonnen hat, aber alleine dadurch, dass man
sich die Chance aufs mitspielen erarbeitet hat, ist man zufrieden. Das
Wochenende ist die Hauptziehung. Dann ist es scheissegal, dass das Wetter den
Bau einer Arche oder der Job den Kauf eines Strickes nahe legt. Was zählt ist,
dass man es geschafft hat, dass man sich die Chance erarbeitet hat. Von da an
kann man fast nicht mehr verlieren, dabei sein ist alles. Man geniesst es, im
Wissen, dass nächste Woche wieder das nächste Rätsel wartet, das gelöst werden
will.
Freitag, 18. November 2016
Dienstag, 8. November 2016
Zwischenzeit
Der erste Schnee fällt. Die Luft sticht auf
der Haut. Kälte dringt ein, wo es warm sein sollte. Die Landschaft kann sich
noch nicht entscheiden, ob sie das Kleid des Herbstes oder des Winters tragen
soll. Eine launische Dame, die vor dem Spiegel posiert und testet, was ihr am
besten steht. Für Winter ist es noch zu früh, für Herbst ist es zu kalt. Die
Weihnachtsbeleuchtungen und -dekorationen sind erst in Kaufhäusern auszumachen.
Die Strassen und Häuser sind noch vorwiegend dunkel und kalt. Last Christmas lauert bereits hinter der
nächsten Ecke und die kommende Weihnacht ist auch nicht mehr weit. Momentan
entscheiden ein paar Grad zwischen Schnee und Regen, zwischen weisser Pracht
und kalter Nässe. Man beginnt, den Mantelkragen hochzuklappen und die Hände tief
in die Taschen zu stecken. Der Schritt wird etwas schneller als normal und man
vermeidet es, länger draussen zu sein als nötig. Zuhause richtet man sich
darauf ein, dass man nun den grössten Teil der Zeit in seinen eigenen vier
Wänden verbringen wird. Die Welt draussen ist zu kalt und zu dunkel um sich
raus zu wagen. Man räumt ein bisschen auf, zündet Kerzen an und sucht sich eine
geeignete Beschäftigung. Warme Getränke, bequeme Kleider und schwere Musik
haben Hochkonjunktur. Es bleibt nicht sonderlich viel zu tun. Wenn man clever
ist, bereitet man sich bereits auf die Festtage vor um sich später etwas Stress
zu ersparen. Man kann sich betrinken. Besser gesagt, man hat sich selbst
gegenüber die heilige Pflicht, dies zu tun. Es ist typische Zwischenzeit. Alles
ist gut, solange man Zuhause ist. Zuhause und frei von Zwängen.
Samstag, 5. November 2016
herbst II
Hab die Ehre. Vor gut einem Jahr habe ich hier meine Ode an, über oder auch unter oder neben den Herbst abgelassen. Was darin stand interessiert mich nicht mehr. Ich möchte keinen alten Herbst wiederbeleben, sondern jenem wunderschönen Wetterkonzept fröhnen, welches mich heute und hier am Verlassen des Hauses hindert. Hatte ich nicht Bilder von sonnendurchleuchteten Alleen im Kopf? Von selbstbewussten Frauen, die Stiefel und Schal modisch tragen und ihre Formen unter einem Cashmere-Pullover zur Schau stellen? Und vielleicht vom klischeebehafteten Maronimann, der mit Schnurrbart freundlich lächelnd seine Hände über der Pfanne wärmt? Da draussen siehts eher aus nach besoffen vor dem Pissoir schwankend. Kalt und nass. Nicht gerade die Geburtsstätte neuer Liebesbeziehungen. Langsam hege ich die Vermutung, selbst das Bier könnte heute scheisse schmecken. Aber das weiss ich noch nicht. Und Gumble hat heute Geburtstag. So schlecht kann der Tag also nicht werden. Müsste ich meinen Vater nicht auch noch an ein Whiskeyseminar hin- und wegchauffieren, gäbe es sogar Lichtblicke. Wie dem auch sei. Vieleicht ist heute auch der Tag mal wieder ein neues Kapitel zu beginnen. Wortwörtlich natürlich, mit einem Buch.
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